21.07.2022 00:00 Alter: 2 yrs
Kategorie: Aktuelles Heft, Startseite

Schafe in der Forstwirtschaft

Zwei Pionierbetriebe haben die abenteuerliche Kombination aus Aufforstungsfläche und einer Schafrasse, die Nadelholz verschmäht, gewagt. Die Tiere ersetzen das aufwändige und kostenintensive Freimähen der Forstpflanzen in den ersten drei bis fünf Jahren.

Foto: Kaiser

Der LANDWIRT berichtete im Mai 2020 über den Forstunternehmer Markus Merz und den Förster Jörg Heßler, die in Deutschland mit Unterstützung ihrer Frauen sehr erfolgreich Shropshire-Schafe zur Pflege von Aufforstungsflächen einsetzen. Wir wollten diese ressourcensparende und ökologische Idee gerade in Zeiten wie diesen wieder aufgreifen. So machten wir uns auf die Suche nach innovativen Forstwirten oder Schafhaltern, die in Österreich mit dieser Rasse im Wald arbeiten. Gefunden haben wir zwar Betriebe, die Shropshire-Schafe in Christbaumkulturen einsetzen, nicht aber welche, die Jungwuchsflächen damit pflegen. Im Anschluss wollten wir wissen, ob dieser Versuch in Deutschland nur ein Strohfeuer war oder ob die beiden Betriebe immer noch mit diesem System arbeiten und sie es auch österreichischen Forstwirten empfehlen würden.

 

Aus der Not heraus

 

Auf die Idee, sich eine Shropshire-Herde zuzulegen, kam Förster Jörg Heßler aus der Not heraus. Er betreut im hessischen Lich, Landkreis Gießen, ein Revier von etwa 1.800 ha Größe. Der Licher Wald ist wie häufig in Mittelhessen ein schlagweiser Hochwald. Aufgrund der Bewirtschaftungsform entstehen Kahlflächen, die wieder aufgeforstet werden müssen. Zudem wütete im Frühjahr 2019 die Rußrindenkrankheit auf 30 ha des Betriebs. 30.000 Ahornbäume mussten in der Folge gefällt werden. Der Betrieb wandelt auch landwirtschaftliche Flächen in Wald um und hat natürlich auch mit Borkenkäferbefall zu kämpfen. Summa summarum sieht sich Förster Heßler mit 90 ha Kulturflächen konfrontiert, Tendenz steigend. Jörg Heßler rechnet vor, wie der Einsatz von Freischneidern in seinem Revier astronomische Kosten produziert: „Ein Hektar Aufforstungsfläche kostet uns rund 1.000 Euro für Personal und Ausmähen. Weil wir sehr wüchsige Standorte haben, benötigen wir drei Durchgänge pro Jahr auf vier Jahre hinweg. Das ist nicht bezahlbar.“

 

Ein gut überlegter Schritt

 

So kam er auf die Idee, sich Shropshire-Schafe anzuschaffen. Förster Heßler und sein Chef gingen jedoch nicht blauäugig an die Geschichte heran. Sie gaben ein Gutachten in Auftrag und ließen alles betriebswirtschaftlich durchkalkulieren. Das Ergebnis: Durch den Einsatz der Schafe auf den Aufforstungsflächen ergibt sich ein ansehnlicher Jahresüberschuss. Seit Anfang 2019 kauft Jörg Heßler in ganz Deutschland Shropshire-Schafe ein. Ohne Ehegattin Isabell, die die Tiere betreut, würde die ganze Geschichte nicht funktionieren. Mittlerweile besteht die Herde aus insgesamt 200 Schafen und Isabell Heßler ist fest für deren Betreuung angestellt. Die Tiere befinden sich im Wald auf etwa 0,75 ha großen Portionsweiden, die mit mobilen Elektrozäunen immer frisch abgesteckt werden. Förster Heßler erklärt, dass die Schafe auch die Laubbäumchen nicht beschädigen. Im Gegenteil: „Die kleinen Eichen und Eschen haben durch das Abfressen der unteren Blätter deutlich im Höhenwachstum zugelegt.“ Bisher ersetzen die Tiere fast alle Freischneider-Aktionen. Die Waldarbeiter müssen nach der Beweidung nur noch einmal die Reihen sauber ausmähen. Das Pionierprojekt ist bereits auf wissenschaftliches Interesse gestoßen: Dr. Henrik Wagner, Fachtierarzt für Schafe, Ziegen und Neuweltkamele der Universität Gießen, ist begeistert: „Shropshire-Schafe im Wald ist ein völlig neuer, spannender Ansatz.“ Er möchte dazu wissenschaftliche Daten erheben, denn an interessanten Fragen mangelt es ihm nicht: Sind die Tiere im Wald gesünder als auf Grünland? Welche Pflanzen nehmen die Schafe auf? Wie entwickeln sich die täglichen Zunahmen und das Klauenwachstum?

 

Fotos und Interviews mit den Familien Heßler und Merz finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe! Hier gratis Probeheft bestellen