02.09.2021 00:00 Alter: 3 yrs
Kategorie: Aktuelles Heft, Startseite

Nicht Bäuerin, nicht Produzentin...

...einfach Ziegenhalterin aus Freude ist Schafe&Ziegen aktuell-Leserin Roswitha Bachmann aus Bettendorf in Rheinland-Pfalz. Sie erzählt uns von ihren Erfahrungen und Gefühlen in der nicht kommerziellen Freizeit-Hobby-Ziegenhaltung.

Foto: Bachmann

Schafe&Ziegen aktuell: Frau Bachmann, Sie halten Burenziegen als Haustiere zum Streicheln, wie andere Menschen Hunde oder Katzen halten. Wie kommen Sie gerade auf Ziegen?

 

Roswitha Bachmann: Wir waren etwa Mitte der 1990er-Jahre in einem Tierfreizeitpark und haben dort Zwergziegen gesehen. Diese Ziegen haben uns sehr beeindruckt. Wir wollten jedoch Ziegen mit einem weniger ausgeprägten Temperament, denn vor Zwergziegen ist nichts sicher. Wir haben uns informiert, welche Ziegenrasse weniger temperamentvoll ist und sind somit auf Burenziegen gekommen.

 

Wie viele Tiere halten Sie?

 

Wir haben aktuell zwei Burenziegenweibchen und zwei Böcke.

 

Die Ziegen im Wohnzimmer und an der Leine? Oder doch draußen in einem Stall? Wie darf man sich die Haltung Ihrer Haustiere vorstellen?

 

Unsere Ziegen haben einen schönen, hellen Stall mit zwei großen Fenstern. Sie können jederzeit raus auf die Weide, die sich direkt hinter unserem Haus befindet. Ziegen brauchen nicht unbedingt einen Stall. Ein Unterstand, der mindestens von drei Seiten geschlossen ist, muss jedoch sein. Ziegen fehlt die Lanolinschicht auf der Haut, die Regen und Nässe abperlen lässt.

 

Sie sind weder Züchterin noch Produzentin. Was geben Ihnen die Ziegen dann?

 

Ziegen sind lustige, unterhaltsame, gesellige und sehr menschenbezogene Tiere. Außerdem haben wir durch unsere Ziegen eine tägliche Aufgabe. Es gefällt uns und es macht uns Spaß, dass wir uns um sie kümmern dürfen. Wir freuen uns, dass wir ihnen bei uns ein sehr schönes Leben bieten können. Wir brauchen nur in ihre Augen zu schauen und erhalten eine tiefe Dankbarkeit zurück.

 

Wie reagieren andere Menschen, wenn Sie ihnen erzählen, dass Sie Ziegen als Streicheltiere halten?

 

Meistens reagieren die Menschen mit Unverständnis oder desinteressiert. Sie können nicht verstehen, dass wir Ziegen halten wie andere einen Hund, eine Katze, einen Hamster oder einen Kanarienvogel. Das sei doch alles nur Geldverschwendung, wenn man keinen Nutzen davon hat, meinen sie. Warum wir das Geld nicht in einen schönen Urlaub investieren, werden wir gefragt.

 

Haben Sie als Ziegenhalterin besondere Erfahrungen mit Nachbarn oder Behörden gemacht?

 

Unsere Nachbarn mögen die Ziegen nicht, denn ihrer Meinung nach stinken sie. Wir werden ausgegrenzt und nicht ernst genommen. Mit Behörden und der Gemeinde gibt es aber keine Probleme.

 

Welche besonderen Herausforderungen bringt die Ziegenhaltung im Hobbybereich mit sich?

 

Die Hobbyziegenhaltung ist nicht so nebenbei abgewickelt. Es gibt viel zu lernen und zu beachten. Ein Problem, das unbedingt angesprochen werden sollte, ist die tierärztliche Behandlung von Kleinwiederkäuern. Da die Ziegenhaltung sehr zurückgegangen ist, spezialisieren sich immer weniger Tierärzte auf die Behandlung von Ziegen.

Eine weitverbreitete Meinung der Menschen ist, dass Ziegen einfach alles fressen und man ihnen alles hinwerfen kann. Doch das Wohlergehen der Ziege steht und fällt mit der richtigen Funktion ihres komplizierten und hochsensiblen Verdauungssystems. Ziegen sind sehr wählerisch und suchen sich immer erst das Beste raus. Ist das Heu verdorben oder riecht es muffig, dann verschmähen sie es. Ziegen können sogar regelrecht in einen Hungerstreik treten. Das haben wir alles schon erlebt.

 

Schildern Sie uns bitte ein paar besonders einprägsame Erlebnisse von Freud und Leid mit Ihren Tieren.

 

Für das Leid, das wir bereits erlebt haben, gibt es viele Beispiele. Es ist bekannt, dass Ziegenböcke untereinander Rangkämpfe durchführen. Vor einigen Jahren brach dabei bei einem unserer Böcke das Horn direkt an der Basis ab. Wir sind in die Veterinär-Uni nach Giessen gefahren und waren der Meinung, dass man unserem Bock dort helfen könne und wir ihn wieder mit nach Hause nehmen können. Leider mussten wir erfahren, dass nichts mehr zu machen war. Wir mussten unseren ansonsten kerngesunden Adrian schweren Herzens einschläfern lassen. Das tat weh.

Letztes Jahr ist unser erst zweijähriger Burenziegenbock Adonis während der Narkose in der Klinik verendet. Er war auf unserer Weide plötzlich zusammengebrochen und kurzzeitig ins Koma gefallen. Nach ein paar Minuten war er wieder voll da gewesen. Wir wollten unbedingt abklären lassen, woher dieser neurologische Ausfall kam. Es bestand der Verdacht auf einen Gehirntumor. Eine Sektion ergab, dass der Bock keinen Gehirntumor hatte, die Rückenmarkflüssigkeit war ebenfalls unauffällig. Bis heute wissen wir nicht, woran er gelitten hat. Wieder hatten wir ein geliebtes Tier verloren. Zu Hause mussten wir dann mitansehen, wie unsere restlichen Ziegen ihren Artgenossen vermissten. In so einer kleinen Herde trauern die Tiere recht lange.

 

Frau Bachmann, passen Tierliebe und Fleischkonsum für Sie zusammen?

 

Nein, ich esse kein Fleisch. Für meinen Lebensgefährten kaufe ich aber ab und zu einmal Wurst oder Fleisch in BIO-Qualität. Die Massentierhaltung unterstütze ich nicht.

 

Nach welchen Kriterien und wo kaufen Sie, falls nötig, neue Tiere zu?

 

Neue Tiere kaufen wir nur bei einem renommierten Züchter, der vorweisen kann, dass sein Betrieb zertifiziert und sein Bestand CAE- und Pseudo-Tbc-unverdächtig ist.

 

Danke für das Gespräch!

 

 

 

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